horror vacui

Mit den beiden Serien „Squash“ und „Schutt“ stellt Frank Darius einen Teil seiner neuen Werkgruppe „horror vacui“ vor. „Horror vacui“ behandelt nicht die „Angst vor der Leere“ im aristotelischen Sinn, vielmehr wird im Umkehrschluss dieses zwanghafte Auffüllen eines leeren Raumes an sich thematisiert.

Vom „Paradies“ kommend erfahren die zentralen Motive bei Darius eine immer deutlichere Gewichtung, während jegliche Nebensächlichkeiten, die Beimotive, kontinuierlich aufgelöst werden – Raum wird geschaffen statt gefüllt. Radikal konzentriert sich Darius auf das Wesentliche seines Hauptmotives, auf dessen Linien und Strukturen, und versucht damit, zum Kern des Gesehenen vorzurücken, es fotografisch zu erfassen und selbst sprechen zu lassen. Gleichzeitig wird dem Betrachter zunehmend Raum zugestanden, das Abgebildete mit Inhalt zu füllen.

Reizloser als Schuttberge kann ein Bildgegenstand wohl nicht sein, doch für Darius ist nichts zu banal, um gegenüber der allgegenwärtigen Sinnüberreizung einen Kontrapunkt zu setzen und den Betrachter auf sich selbst und seine Interpretation zurückzuwerfen. Würde der Betrachter ohne den lakonischen Titel die Schuttberge überhaupt als solche ausmachen? Erkennt man nicht eher eine Landschaft, Berge oder ein Gebirge? Tatsächlich handelt es sich um 2m hohe Haufen der recycelten Start- und Landebahn des 1936 erbauten Flughafens Oranienburgs bei Berlin. Ähnlich irritierend sind auch die „Squash“-Arbeiten: Regentropfen an einer Fensterscheibe oder doch ein Insektenschwarm?

Die zum Bildmittelpunkt erhobenen Ballabdrücke unzähliger Squashspiele und die von Schnee bedeckten Schuttberge werden von Darius derart festgehalten, dass der Betrachter verwirrt überlegt, ob er es wirklich mit einer Fotografie zu tun hat oder vielleicht doch mit einer Graphik oder einer Zeichnung. Obwohl Darius mit Farbfilm arbeitet, präsentieren sich diese Werke von Farbe entsättigt, nahezu monochrom. Erst bei genauer Betrachtung ist es möglich, das gesamte Farbspektrum auszumachen. Umso überraschender ist es, dass es sich hierbei um Aufnahmen einer altertümlichen Plattenkamera handelt. Weiß ist die vorherrschende Farbe in Darius’ neueren Arbeiten, entsprechend wählt er seine Sujets aus. Er spielt mit dem Verhältnis von gegenständlichem Weiß und einer Leere, die nicht angefüllt, sondern als ideeller, unendlicher Raum begriffen wird.

Betrachtet man diese Arbeiten aus „horror vacui“ vor dem Hintergrund seines bisherigen Werkes, scheint es, dass Darius stets von Neuem eine Art „Auslieferungszustand“ (so wie normalerweise elektronische Geräte resetted werden) für neue Tastversuche anstrebt. Ob er sich von Bereits-Gesehenem und Über-Gesehenem neutralisiert? Als die Deutsche Bank KunstHalle 2013 mit der Aktion „MACHT KUNST“ jeden Kunstschaffenden aufgerufen hatte, ein Kunstwerk einzureichen, fotografierte Darius anschließend die durch die exzessive Petersburger Hängung mit Nägeln und Schrauben übersäten kahlen Wände. Für den 24-stündigen Ausstellungs-Marathon hatte man die 6m hohen Wände liebevoll mit den Kunstwerken gefliest. In dieser jüngsten Serie erfasst Darius fotografisch die Überreste des ursprünglichen horror vacui und führt sie ad absurdum. 

Ausstellungsansichten
RAUMSECHS
Galerie Clara Maria Sels,
Düsseldorf 2015

 
MORE  \/